"Wir werden vom Schicksal hart- oder weichgeklopft. Es kommt auf das Material an."
Marie von Ebner-Eschenbach

Das Ei Drama 2

von Marcus Tessmer
2009

Wieder einmal war es soweit,
sie stand bevor: die Osterzeit.
Erinnert ihr euch an letztes Jahr,
als ein kleines Ei entkommen war?

Es flüchtete in die weite Welt,
ist seitdem bekannt als großer Held.
Nur kennt niemand das böse Ende,
drum lebt sie weiter, die Legende ...

So kam nun erneut ein Ei daher
und meinte: “Ich will so sein wie ER”.
Es kannte gut die alte Geschicht'.
„Aufpellen werden sie mich auch nicht!“

“Sobald mich diese Menschen holen,
verschwinde ich auf leisen Sohlen.”
Und siehe da! Der Kühlschrank ging auf.
Die Flucht nahm damit nun ihren Lauf.

Das Ei wurde nach draußen gebracht.
“Perfekt! So hab ich es mir gedacht!”,
lächelte dieses sehr kluge Ei,
“in Kürze bin ich auch endlich frei.”

Es war ein schöner Tag im Garten.
Das Osterei musste nur warten
auf den einen günstigen Moment,
wenn die Mutter in die Küche rennt.

Doch diese hing erst die Wäsche auf,
Immer mehr Zeit ging dabei schon drauf.
„Verdammt mach hin!“, fluchte heftig das Ei,
„bald kommen doch schon die Kinder herbei.“

Dann endlich ging die Mutter ins Haus,
das Ei freute sich und büxte aus.
Es rollte quer über den Rasen,
grüßte noch nett die Schokohasen.

„Ihr Trottel werdet alle gefressen,
doch bei mir können die es vergessen.“
Voller Hohn rollte es am Haus vorbei,
es glänzten die Augen vom Osterei.

Ganz nahe war schon das Gartentor,
doch eine Prüfung stand noch bevor.
Wer die Geschichte vom letzten Mal kennt,
weiß, dass eine Treppe vom Tor noch trennt.

5 Stufen scheinen nichts Großes zu sein,
doch anders schaut es aus, ist man so klein.
Das kleine Ei wollte nicht verzagen,
sollte es auch den Heldensprung wagen?

Nun ja, das Ei war gar nicht mal dumm,
es rollte um die Treppe herum.
Denn außen konnte man runterrollen,
warum nen Sprung also wagen sollen?

Das Tor war erreicht! – hipp hipp hurra!
Doch urplötzlich stand ER wieder da.
Mit großen Augen sah das Ei ihn an,
Lumpi war hungrig und die Jagd begann ...

Tja seit dem Osterfest letztes Jahr
war schließlich nun auch dem Lumpi klar,
dass das bunte Ding lecker Fressi sei -
also nichts wie hinterher dem Osterei.

Das Ei hatte schnell die Lage erkannt
und nahm sofort die Beine in die Hand.
Im Zick-Zack ging es über Stock und Stein,
das Ei vorneweg,Lumpi hintendrein.

Die Panik wurde im Ei langsam groß,
vom Verfolger kam es einfach nicht los.
Dem Ei ging immer mehr die Puste aus,
wie kam es aus dieser Lage noch raus?

Ganz plötzlich erfolgte ein kurzer Pfiff,
ein Zeichen, das wohl jeder Hund begriff.
Das liebe Herrchen war nun wieder da -
Zeit für happi happi - wie wunderbar!

So kehrte Lumpi nach Hause zurück,
und das kleine Ei feierte vor Glück.
Es fühlte sich wie ein ganz großer Held.
„Nun erobere ich die weite Welt!“

Zunächst aber wollte das Ei etwas Ruh'
und schaute den Bienen beim Fliegen zu.
Es atmete tief den Frühlingsduft ein:
„Hier bin ich Ei, hier darf ichs sein!“

Die Gefangenschaft war endlich vorbei.
das freie Leben genoß nun das Ei.
„Nichts und niemand wirft mich jetzt aus der Bahn“,
im Ei wuchs so langsam der Größenwahn.

Es malte sich schon die Zukunft aus:
die Eier beherrschen jedes Haus.
Verbannen Besteck und auch das Salz,
schaffen sich auch die Menschen vom Hals.

Momentan war das Ei zwar ganz allein,
aber das muss ja nicht für immer so sein.
Das Eierimperium wird gedeih'n,
ich werde die Eier der Welt befrei'n ...

Doch erst rollte es vom Haus weiter weg.
Es blickte sich um und sah ein Versteck.
Ein Wald wird meist von Menschen gemieden,
dort wollte es weiter Pläne schmieden.

Das Ei hatte einen guten Verstand,
doch wär' ihm das Ende von damals bekannt,
dann hätte es sich anders entschieden
und den Wald wohl weiträumig vermieden.

So rollte es nun dem Wald entgegen
mal sehr gemütlich, mal ganz verwegen.
Auch diesmal ging es am Asphalt vorbei,
zum Glück war aber die Straße frei.

Drum kam es problemlos beim Waldstück an,
ein gutes Versteck suchte es sodann.
Ein ruhiger Platz war schnell gefunden,
Zeit zum Entspannen für ein paar Stunden.

Es verging schließlich ein halber Tag,
doch dann kam es plötzlich Schlag auf Schlag:
Menschen tauchten von überall auf,
die Flucht ging weiter - Lauf Ei, lauf!!!

Die Lage war ernst für den Eierheld,
denn von allen Seiten war er umstellt.
Er hörte schon lautes Kinderlachen,
die Kinder suchten nach Ostersachen.

Das Ei schaute sacht aus seinem Versteck,
„Verdammt ich muss hier sofort schnell weg!“
Es schien nun genau wie letztes Jahr,
dass die Flucht im Wald zu Ende war.

Doch kampflos wollte es nicht aufgeben,
das Ei hing doch sehr an seinem Leben.
Wieder ging es über Stock und Stein,
vorbei an so manchem Kinderbein.

Geschickt schlich es an allen vorbei,
dann folgte jedoch ein Freudenschrei.
Das Ei blieb angewurzelt stehen.
War es nun um das Ei geschehen?

„Schau Mama was ich grad ebend fand“,
einen Hasen hielt es in der Hand.
„Hast du auch schon alle Eier entdeckt?
Vielleicht haben sich noch manche versteckt?“

Dem Ei wurde ganz flau im Magen,
es musste einfach alles wagen,
rollte weiter als sei nichts geschehen.
Und welch ein Glück, es blieb ungesehen.

So kam es heil aus dem Waldstück heraus,
sah aber noch sehr mitgenommen aus.
„Am besten ich gehe auf das Feld,
denn hier sucht man kein Ei auf der Welt.“

Niemand war auf dem Feld zu sehen,
das Ei blieb daher ganz kurz stehen.
Doch die Krähe, die am Himmel kreiste,
war es, die später das Ei verspeiste.

So ist nun die Moral von der Geschicht':
Dem Schicksal entkommen die Eier nicht.