"Unser Entscheiden reicht weiter als unser Erkennen."
(Immanuel Kant)

Nordwind

von Marcus Tessmer
2008

Eine leichte Brise durchstreifte mein Haar,
das dunkelblaue Meer sah sehr friedlich aus.
Unser Schiff war auf einer Entdeckungsreise.
Doch urplötzlich überkam uns allen der Graus.

Wie aus dem Nichts kam es aus der Tiefe.
spie eine Fontäne so hoch wie ein Baum,
der Körper war anthrazitfarben und mächtig -
Ein Ungetüm von Fisch, man glaubte es kaum.

Es hatte ein furchtbar gewaltiges Maul,
Zähne so spitz und scharf wie Klingen.
Ein Teufel des Meeres suchte uns heim,
um Tod und Zerstörung uns zu bringen.

Große Panik brach auf unserem Schiff aus.
“An die Kanonen”, schrie der Kapitän.
In Todesangst gehorchten wir dem Befehl,
keiner wirkte in der Lage noch souverän.

Das Wesen schien beinahe friedlich zu sein,
ehe zwei Kugeln seine Schwanzflosse trafen.
Richtig aggressiv sollte der Riese nun werden.
Auf Frontalkurs ging er, um uns zu bestrafen.

Laut krachend rammte er unseren Bug,
Wasser drang nun schnell in das Innere ein.
Unser stolzes Schiff begann langsam zu sinken.
Für fast alle sollte dieser Tag der Letzte sein.

Als Einziger konnte ich mein Leben retten,
eine Holzbank brachte mich halbtot an Land.
Wäre ich doch bloß ein Gardist geblieben.
Ich verlor damals beinahe meinen Verstand.

10 Jahre sind seit dem Ereignis vergangen,
Alpträume plagen mich noch jede Nacht.
Was wäre, wenn wir nie geschossen hätten?
Hätte es denn einen Unterschied gemacht?

Morgen werde ich wieder zum Markt gehen
und die Geschichte von „Nordwind“ erzählen.
Neben einer Fischbude könnt ihr mich finden,
einen Mann, den seine Erinnerungen quälen ...